
Das letzte Gedenken am Grab (Stadtfriedhof Bayreuth) . . .
Begegnung mit Jean Paul
Von ROBERT LINDENBAUM, BAYREUTH
Es ist merkwürdig, dass wir oft nach Begegnungen mit Büchern von der Sehnsucht befallen werden, die Menschen und die Landschaft kennenzulernen, mit denen sie uns beglückt und bereichert haben. Mit einem Mal erweitert sich dann unser Gesichtskreis, anderes Wesen spricht uns an, fremde Täler tun sich uns auf, es geschieht an uns eine Verwandlung, gegen die wir uns nicht wehren können. So erging es mir mit Jean Paul. Später, als mir lieb war, aber darum umso eindringlicher habe ich es erlebt, dass ich dem Dichter doch noch dort begegnet bin, wo er alles Ding und Wesen mit seiner Weisheit gehoben, mit seinem Humor überhaucht hat. Mit den Augen und dem Herzen eines Liebenden habe ich das Fichtelgebirge durchwandert, habe Jean Paul auf seinen Wegen getroffen und die Quellen erforscht, die ihn gespeist haben. Wie sollte ich ihn da nicht lieben und mit der ganzen Kraft meines Gemüts und meines Geistes in mein Herz schließen? Nicht deuten wollte ich ihn, sondern besitzen wie einen kostbaren Schatz.
Dann aber stand ich eines Tages an Jean Pauls Grab in Bayreuth. Sonderbar, dass ich gerade am Grab seine Wesenheit umfassender spürte als an den Stationen seiner Lebensfahrt. Überall war nur ein Stück von ihm, hier aber mündeten alle Wege ein. Und der Fichtelgebirgsfindling, roh und klobig, wie er vom Berg ins Tal kam, war am Ende der Dichter selbst. In ihm sind Kräfte des Kosmos. Umfasst er in seiner Wucht nicht Quell und Schlucht, Himmel und Erde, Wurzel und Stock des Bergs und alle Weisheit des gestürzten Titanen? Mit Jean Paul entrückt man der Enge des Alltags und wird Liebender, Kämpfender und Weiser, weil man den gleichen Odem spürt, dem gleichen Unendlichen verwandt ist. Auch im Großen, in der Welt der Sterne über und auf der Erde, verlässt man den Boden nicht. Ist der Stein nicht selbst wie ein Dichter, der dem Vogelgesang lauscht, den Siebenstern beäugt, Reh und Nachteule huschen hört?
Und manchmal nimmt er Züge und Formen des Toten an. Wahrhaftig, ich habe es gesehen. So breit und gewaltig steht er vor uns: ein Stein, dem der Wandel der Jahrhunderte nichts anhaben kann.
Hesperus, Heft 4 (1952) Jean-Paul-Gesellschaft
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Am 2. Dezember 1825 hielt der bedeutende jüdische Publizist Ludwig Börne im Frankfurter Museum eine Denkrede auf Jean Paul, die prophetische und erinnernde Worte enthielt. Sie haben ihre Gültigkeit nicht verloren . . . Auch die Trauerklage der Rollwenzelin nicht:
